Stefan Ettwig: Herzlich Willkommen aus dem thyssenkrupp Studio in Essen, zu einer neuen Folge von we.talk. Mein heutiger Gast muss allein jobbedingt schon Nerven aus Stahl haben. Ich begrüße ganz herzlich Bernhard Osburg, CEO von thyssenkrupp Steel. Schön, dass Sie Zeit für uns haben.

Bernhard Osburg: Dankeschön, ich freue mich sehr. Guten Morgen.

Stefan Ettwig: Herr Osburg, Herausforderungen bei thyssenkrupp sind wir gewohnt, das können wir, das kennen wir. Das jetzt Krieg in Europa ist, ist schon neu. Wie gehen Sie damit um? Was bewegt sie da, privat und beruflich?

Bernhard Osburg: Ja, ich denke zuerst würde ich als Mensch antworten wollen. Dass das hier in Europa möglich ist, gerade mal 1500 Kilometer von Berlin entfernt, das hätte, glaube ich, keiner von uns in dieser Art und Weise gedacht. Das ist schrecklich, das ist grausam, das macht viel mit uns als Unternehmen, aber ich glaube, auch als Menschen – es löst bei vielen Ängste aus. Aber es gibt auch eine andere Seite, wenn man die Solidarität sieht, die wir haben. Das ist in der Stahlbranche ganz besonders. Sie sehen ja auch, dass Stahlwerke in diesem Krieg eine sehr traurige Rolle gespielt haben. Zuletzt gibt es sehr viel Hilfsbereitschaft, auch aus der Mannschaft heraus, was Spenden angeht, was Unterstützung angeht, was Sprachunterricht angeht. Und dafür erstmal ein dickes Danke an alle Menschen, alle Mitarbeitenden, die hier unterstützen, diese Situation einigermaßen erträglich zu machen, für die Leute, die hier nach Deutschland gekommen sind.

Stefan Ettwig: Kommen wir kurz zur Verselbstständigung. thyssenkrupp ist weiterhin davon überzeugt, dass eine eigenständige Aufstellung ihres Bereiches sehr gute Zukunftsperspektiven bietet. Allein die Umsetzung ist derzeit offen. Wie gehen Sie mit dieser geringeren Planungsmöglichkeit um?

Bernhard Osburg: Ich würde mal sagen, es ist so wie es ist. Die politische Lage hat sich dramatisch geändert, das ist vollkommen klar, da sieht man auch durchaus Einfluss auf die Kapitalmärkte, auf die Aktienmärkte. Wir haben, wie sie gesagt haben, eigentlich zwei große Themen. Das eine große Thema ist, in welcher Konstellation ist was von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen her möglich? Ich denke, da sind wir besser unterwegs, als man das erwarten durfte. Auch in der Kriegssituation mit doch sehr vernünftigen Zahlen. Das ist gut, aber das, was über dem ganzen Thema schwebt, ist natürlich das Thema der Grünen Transformation, die wir machen müssen. Das ist ein Riesenprojekt, eine Riesen Challenge für unser Unternehmen und hier ist es wichtig, dass die politischen Rahmenbedingungen wirklich so klar sind, dass sie lesbar und bewertbar sind auf der Zahlenseite, weil es sonst schwierig ist, diesen Weg zu gehen. Einen letzten Satz noch: Wir bereiten uns weiterhin ungebremst auf das Thema Verselbstständigung im Unternehmen vor. Wir wissen, dass wir bis zur Kapitalmarktfähigkeit, noch Hausaufgaben machen müssen und daran arbeiten wir in aller Konsequenz einfach weiter.

Stefan Ettwig: Die grüne Transformation haben sie gerade angesprochen, das ist einer von vielen Bällen, die derzeit in der Luft sind. Wie schwer wiegt dieser Ball für sie?

Bernhard Osburg: Das ist schon, um das in der Felix Magath Sprache zu sagen, der dicke Medizinball. Man kann schon sagen der wiegt sehr schwer. Es ist, denke ich, in Summe nach wie vor eine große Chance für unser Unternehmen, diesen Weg zu gehen. Wir haben einen guten, klaren, strukturierten Plan, wie wir das tun wollen, aber es ist eine riesige Herausforderung. Und um das zu verstehen, bei der Transformation der Stahlindustrie, bei der Transformation unseres – Europas größtem – Stahlwerks ist es nicht nur eine brutale Technikumstellung. Das ist das, was alle wissen und dass man aus der Kohle aussteigt und in den Wasserstoff hineingeht. Strom und Wasserstoff werden die Energieträger der Zukunft sein. Aber auch die Märkte ändern sich in Summe. Das Verhalten des Wettbewerbs ändert sich und wenn diese Transformation durchgelaufen ist, wird die Stahlwelt in Deutschland und in Europa ein anderes Gesicht haben als heute. Und wir möchten natürlich nach dieser Transformation auch weiterhin eine Spitzenposition haben. Deshalb ist die Herausforderung sehr groß. Die Dimension ist sehr groß. Deswegen geht es auch ohne politische Unterstützung nicht.

Stefan Ettwig: Das waren jetzt viele Herausforderungen, darüber müssen wir sprechen, das ist klar. Aber es gibt doch bestimmt auch viele Dinge, gerade für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen, auf die sie stolz sind. Was für Meilensteine wurden erreicht, womit sind sie zufrieden?

Bernhard Osburg: Ja, absolut. Wir sind mit der gesamten Mannschaft vor zwei Jahren in die Umsetzung der Strategie 2030 gegangen. Wir haben ja auch ein Budget bekommen, das zu begleitende Sonderbudget von über 800 Millionen €. Und im Grunde sind das zwei Aspekte. Der eine Aspekt ist ein Restrukturierungs- und Kostensenkungsaspekt. Der zweite Aspekt ist, wo investieren wir in Anlagentechnologie, wie gestalten wir unser Portfolio. Die Mannschaft in Duisburg hat es jetzt geschafft, in den letzten zwei Jahren sowohl in der Restrukturierung, beim Personalabbau, beim Generieren von Kostenpotentialen, bei der Transformation von Electrical Steel vom Negativen zum Positiven; und auch für den Heavy Plate Bereich, den Grobblech Bereich, den wir im September letzten Jahres würdevoll geschlossen haben, das war wirklich keine einfache Sache. Wir haben weit über 300 Millionen Euro Ergebnisverbesserung aus diesen Themen. Das hilft uns jetzt im Markt, auch wieder eine vernünftige Position einzunehmen und ein dickes Danke an meine Mannschaft und meine Mitarbeiter. Es haben nicht alle daran geglaubt, dass wir das in der Zeit hinkriegen. Es sind ja schwierige Zeiten gewesen, mitten in der Pandemie, aber das ist gut gelaufen. Das haben wir jetzt an den letzten Quartalsergebnissen auch monetär sauber ablesen können. Wir haben auf der grünen Transformation nicht nur weiter geplant und die Technologie entwickelt, sondern wir haben im Oktober letzten Jahres unsere erste grüne Produktmarke bluemint© gelaunched. Wir haben mittlerweile in vielen Branchen – in der Verpackungsindustrie und im Trafo-Bereich – Kunden, die diese CO2 -reduzierten Produkte heute schon abnehmen und auch mehr davon abnehmen wollen. Insofern kann man sagen, dass der Kurs gut eingestellt ist – und jetzt gilt es, konsequent weiter nach vorne zu arbeiten.

Stefan Ettwig: Sie brauchen beim Stahl viel Material, viel Energie. Das kostet viel Geld, die Preise gehen ja derzeit gerade durch die Decke. Das hat wiederum Auswirkungen auf die Finanzen natürlich bei ihnen, aber auch bei thyssenkrupp in Summe. Wie stellen sie sich da in ihrem Bereich auf, um wettbewerbsfähig zu bleiben?

Bernhard Osburg: Ich denke, wir haben in den letzten Monaten, schon als sich das Ukraine-Thema anbahnte, gesehen, wie sich Energiekosten entwickelt haben. Insbesondere Strom und Gas sind völlig anders – um Faktoren anders – als dies vorher der Fall war. Wir haben zusätzlich durch den Krieg vom 24.2., ab dem 25.2. auf der Rohstoffseite erhebliche Kostenbelastungen zu tragen. Und das heißt für uns, dass es nur zwei Wege gibt. Der Weg eins ist, wir müssen das, was an Kosten auf uns zuläuft, in der Lage sein, an unsere Kunden, an die Märkte weiterzugeben. Das ist keine beliebte Aufgabe, das ist vollkommen klar, aber anders wird es nicht gehen. Das ist der Weg Nummer eins. Der Weg Nummer zwei: Wir haben heute sehr viel Kapital in Beständen gebunden, weil wir eben sehr teuer Material einkaufen müssen. Das würden wir lieber in Investitionen leiten, das ist vollkommen klar. Insofern ist das Management unserer Vorräte, unserer Bestände natürlich auch eine Disziplin, die unter hohem Druck vorangetrieben wird. Das sind die beiden Elemente mit denen wir versuchen, in diesen schwierigen Zeiten eine Brücke zu bauen, nach vorne ins kommende Geschäftsjahr, das wir dann auch wieder anders anfahren können.

Stefan Ettwig: Mit Sigmar Gabriel, dem ehemaligen Bundesumwelt- und Wirtschaftsminister, haben sie einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden. Hatten sie schon die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen? Über aktuelle Entwicklungen, Herausforderungen etc.?

Bernhard Osburg: Ja, Herr Gabriel hat uns mehrfach besucht in Duisburg. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht. Wir sind auch im regelmäßigen Austausch miteinander. Wir freuen uns natürlich, dass wir jemanden haben, der sowohl ein Schwergewicht auf der gesamten politischen Landschaft ist. Insbesondere in den wichtigen Feldern Wirtschaftspolitik und Umweltpolitik, die er beide maßgeblich mitgestaltet hat. Er ist aber auch ein großer Kenner der Stahlindustrie, aus seiner Funktion in Niedersachsen heraus. Er kennt alle Themen, die er alle sehr vernünftig und gut einsortieren kann und von daher natürlich auch jemand ist, der noch einmal mit ganz anderen Gedanken noch einmal zusätzlich unser Geschäftsmodell, unsere Performance challengen kann. Und das tut uns allen gut. Das ist konstruktiv und macht in der Zusammenarbeit auch sehr viel Spaß.

Stefan Ettwig: Zur letzten Frage, auch insbesondere in Richtung unserer Mitarbeitenden. Wie optimistisch sind Sie, dass Steel Europe und thyssenkrupp auf einem richtigen und guten Weg sind?

Bernhard Osburg: Ich bin sehr optimistisch, dass das so ist und da bin ich als CEO nicht alleine unterwegs, sondern das glauben wir in der Führungsmannschaft in Summe. Dafür gibt es zwei Gründe: Wir haben nach wie vor eines der erfolgreichsten Stahlwerke am richtigen Fleck in Duisburg an der Rheinschiene, mit Kunden um uns herum. Das ist eine tolle Ausgangsposition und ich glaube, die Mannschaft hat auch bewiesen, in den letzten zweieinhalb Jahren, wenn sie einen graden Kurs hat, der die Richtung nicht im Jahresrhythmus ändert, sondern wir ein Ziel auch mal längerfristig anpeilen können, dass sie in der Lage ist, mit sehr viel Elan und Power, die Dinge, die wir uns vorgenommen haben, umzusetzen. Und wir sind in der Umsetzung ein Stück weit vorne. Das zeigt, wieviel Energie in der Truppe drinsteckt. Dafür ein ganz herzliches Dankeschön! Und mit einer so leistungsfähigen Mannschaft und einem leistungsfähigen Standort wird man sich im Wettbewerb auch gut behaupten können. Daher die Zuversicht.

Stefan Ettwig: Das ist der Weg, das lassen wir so stehen. Vielen Dank, Herr Osburg für Ihre Zeit.

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, wir kommen zurück mit we.talk, mit spannenden Gästen, schon in Kürze. Tschüss aus Essen. Machen Sie es gut und bleiben sie gesund.