Ettwig: Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von we.talk. Wir senden heute wieder aus dem Studio in Essen und ich begrüße hier bei mir ganz herzlich wieder zwei Gäste: Werner Ponikwar CEO von thyssenkrupp nucera und Arnd Köfler, CTO von thyssenkrupp Steel Europe. Herzlich willkommen!

Köfler und Ponikwar: Dankeschön.

Ettwig: Wir wollen heute gemeinsam über Technologien in der grünen Transformation sprechen. Und da dreht sich natürlich vieles um Wasserstoff. Deswegen würde ich das Gespräch gerne mit Ihnen anfangen, Herr Ponikwar. Sie sind seit Juli 2022 in der Verantwortung bei thyssenkrupp nucera. Eigentlich gibt es keinen besseren Zeitpunkt, um bei thyssenkrupp anzufangen, oder?

Ponikwar: Total richtig. Es ist natürlich nicht der schlechteste Zeitpunkt. Sogar ein sehr, sehr guter Zeitpunkt. Warum ist es ein sehr guter Zeitpunkt? Weil auch endlich was passiert.
Wir bei thyssenkrupp nucera sind mittendrin statt nur dabei. Warum? Weil wir schon erste große Projekte gewonnen haben, an denen wir heute schon sehr intensiv arbeiten. Das eine Projekt in Saudi-Arabien ist wahrscheinlich eines der größten Projekte der Welt. Dort wird im Nordwesten von Saudi-Arabien eine neue Stadt geschaffen, Neom und als Teil dieser neuen Stadt wird es auch eine sehr, sehr große Wasserstoff Elektrolyse geben, die mit erneuerbaren Energien gespeist wird.
Das ist ein schöner Erfolg, ein guter Startpunkt und für mich auch eine persönliche Motivation, unsere Klienten, unsere Kunden auch weiterhin auf ihrem Weg in die Klimaneutralität zu begleiten.

Ettwig: Herr Köfler, auch thyssenkrupp Steel Europe beschäftigt sich gerade intensiv mit der grünen Transformation. Wasserstoff spielt auch da eine große Rolle. Können Sie uns da ein bisschen Hintergrund geben?

Köfler: Wir sind dabei, die Hochofentechnologie durch eine neue, dann CO2-freie Technologie, mit Direktreduktionsanlagen und Einschmelzern zu ersetzen. Und das ist die einzige Möglichkeit, nicht nur für uns, sondern für alle in der Stahlerzeugung, wirklich grüne Produkte zu erzeugen.

Ettwig: Sie haben die Direktreduktionsanlage gerade angesprochen. Lassen Sie mich trotzdem noch einmal nachfragen. Können Sie uns einen kleinen Ausblick auf der Zeitachse geben? Wann wird es soweit sein? Und dann in einfachen Worten für den Nicht-Techniker, was kann das Ding?

Köfler: Ja, ich fange mal an mit den technischen Details, die Direktreduktionsanlage ist in der Lage einen Teil der Hochofen Aufgaben zu übernehmen, nämlich die Erze vorzubereiten und das nicht mit Kohlenstoff, sondern mit Wasserstoff. Daraus kommt dann ein festes Produkt, das überführt wird in unsere Einschmelzer, die wir errichten werden, um dieses dann zu verflüssigen.
Und das Endprodukt ist dann das Gleiche, das heute aus einem Hochofen kommt, nämlich Roheisen und Schlacke, nur eben CO2 frei hergestellt, das kann dann in unseren Stahlwerken, die wir nicht verändern müssen, weiter benutzt werden, um unsere zweieinhalbtausend Güten, die wir heute erzeugen, sofort weiter produzieren zu können.
Wir haben die Konzeption vorangetrieben, haben die entsprechenden Beantragung der Förderanträge alle rechtzeitig abgegeben und wir erwarten im Moment täglich den Bescheid aus Berlin, damit wir mit vorzeitigen Maßnahmen beginnen können, so heißt das förmlich. Das Land Nordrhein-Westfalen hat seine entsprechende Zusage schon gemacht. Und wir sind parallel bereit dazu, in den nächsten Tagen, Wochen eine Anlage vergeben zu können. Und dann geht es ab Januar los mit den nächsten Schritten. Dann werden die Felder, wo diese Anlagen errichtet werden, vorbereitet. In unserem zweiten Hafen in Duisburg, in Walsum werden wir die entsprechenden Vorbereitungen starten. Dann die Detail-Engineerings erstellen und die behördlichen Genehmigungen für das Betreiben einholen und dann Schritt für Schritt die Anlage aufbauen und 2026 in Betrieb nehmen.

Ettwig: Eine Fußballer-Weisheit sagt, wichtig ist auf dem Platz. Wie lösen Sie beide denn die Mammutaufgabe, grüne Transformation mit grünem Wasserstoff? Herr Ponikwar.

Ponikwar: Jetzt müssen wir die PS auf die Straße bringen und müssen in die Umsetzung gehen. Dazu hilft es natürlich auf der einen Seite, dass wir schon Abnehmerindustrien haben, die sagen jawohl, wo ist der Wasserstoff, wir brauchen den. Und da hilft es natürlich auf der anderen Seite auch, dass wir bei thyssenkrupp nucera Technologien zur Verfügung stellen können, die diesem Anspruch heute schon gerecht werden können.
Wir haben hier vielleicht einen Vorteil gegenüber anderen Marktteilnehmern, weil wir auf eine sehr ausgereifte, tolle Technologie aufsetzen können. Das ist die Chloralkali-Elektrolyse, die wir schon seit Jahrzehnten lang entwickelt und perfektioniert haben. Diese ist heute auch großtechnisch verfügbar und der Schritt von dieser Chloralkali-Elektrolyse zur alkalischen Wasser Elektrolyse ist im Wesentlichen ein relativ kleiner, weil die Komponenten sehr ähnlich sind. Das Zelldesign ist sehr ähnlich und somit können wir schon heute großtechnische Anlagen bauen, die diesem Anspruch genügen.
Und in der Zukunft gucken wir natürlich auch Richtung Stahl und freuen uns auch da auf die großen Mengen. Aber darüber kann Herr Köfler sicherlich mehr erzählen.

Ettwig: Wie sieht es bei Stahl aus? Wie lösen Sie die Mammutaufgabe Wasserstoff?

Köfler: Ja, in der Tat ist es eine Mammutaufgabe. Und ich glaube, ich werde erst mal ein bisschen schildern, was diese Größe denn überhaupt ausmacht, um Mammut zu sagen. Sie wissen, dass wir in Duisburg das größte Stahlwerk in Europa betreiben, mit über zehn Quadratkilometer Fläche, ungefähr fünfmal so groß wie Monaco und da stehen vier große Hochöfen, und diese vier müssen wir Schritt für Schritt ersetzen.

Ettwig: Jetzt sind das ja noch ein paar Tage hin und wie ich weiß, ist ja Wasserstoff nicht das einzige Thema, womit Sie die grüne Transformation in Duisburg befeuern. Welche Technologien haben Sie noch im Portfolio?

Köfler: Ja, wir sind natürlich schon gestartet, schon seit einigen Jahren, uns damit zu beschäftigen, wie wir grüne Produkte oder CO2 geminderte Produkte herstellen können, mit den Aggregaten, die wir jetzt noch eine Zeit lang weiterbetreiben müssen. Wir haben zum Beispiel weltweit als erster 2019 schon Wasserstoff eingesetzt, an einem Hochofen in Duisburg.
Aber wir haben auch Ersatztechnologien für die Hochöfen gefunden zum Beispiel grünes Vormaterial, wenn ich das mal so nennen darf, direkt in den Hochöfen einzusetzen, die Recyclingquote zu erhöhen, indem wir besondere Schrott-Sorten in den Hochöfen einsetzen. Das ist uns gelungen und seit letztem Jahr haben wir dementsprechend auch unser erstes grünes oder CO2 gemindertes Produkt auf den Markt gebracht. bluemint® ist, glaube ich, mittlerweile gut bekannt und etabliert. Kunden haben auch entsprechende Mengen schon bestellt.

Ettwig: Herr Ponikwar, jetzt haben wir ein bisschen stärker auf Deutschland geschaut. Ihr Spielfeld ist ja eher international ausgelegt. Was kann thyssenkrupp nucera dazu beitragen, die grüne Transformation international zu befeuern?

Ponikwar: Völlig richtig. Die grüne Transformation ist quasi eine globale Bewegung. Es würde wenig Sinn machen, wenn es dann nur einzelne Länder betreiben würden, es geht ja immerhin darum den Klimawandel auch ein Stück weit zu verhindern oder zu minimieren. Wir müssen Anlagen schaffen, die hoch verfügbar sind, die groß sind, die entsprechend große Mengen an Wasserstoff auch kostengünstig produzieren können. Da sehen wir uns im Wettbewerb ganz gut aufgestellt. An dieser Stelle haben wir darüber hinaus vielleicht auch einen weiteren Wettbewerbsvorteil. Wir haben durch unsere historische Chloralkali- Elektrolyse Geschäfte weltweit schon Standorte aufgebaut. Es ist für uns natürlich sehr vorteilhaft, weil wir damit natürlich schneller wachsen können. Und so fokussieren wir uns jetzt am Anfang sicherlich auf Schlüssel-Regionen, wie wir sie nennen, die für uns die größte Attraktivität haben.

Ettwig: Für den Hochlauf der Wasserstoff Industrie, insbesondere in Deutschland, wird viel grüner Strom gebraucht. Der gilt hierzulande als sehr teuer. Also alles das, was aus Solaranlagen und Windkraft kommt. Was heißt das für Ihr Geschäftsmodell?

Ponikwar: In Deutschland ist es sicherlich so, dass die Energiepreise nicht vergleichbar sein werden, wie in anderen Ländern, in denen sie ganz andere Voraussetzungen haben. Das dürfen wir nicht vergessen: Wir brauchen entweder viel Wind oder und idealerweise viel Sonne. Und das dritte große Kriterium ist Platz. Solche Anlagen brauchen einfach sehr viel Platz. Und da sind wir in Deutschland sicherlich ein stückweit begrenzt.

Und deswegen werden die Energiepreise hier in Deutschland sicherlich auch nicht dort stehen, wo wir sie in anderen Regionen heute schon sehen. Was heißt das für Deutschland? Wir werden unseren Bedarf an Wasserstoff wahrscheinlich nicht vollständig aus eigenen Kräften bewerkstelligen können. Das heißt nicht, dass es in Deutschland keinen Aufbau einer grünen Wasserstoff-Industrie geben wird.
Den muss es geben, weil wir zunehmend trotz allem erneuerbare Stromquellen erschließen und aufbauen. Und die haben natürlich stets, die Eigenschaft oder den Nachteil, dass sie deutlich volatiler sind.
Um das auszugleichen brauchen wir Speichersysteme. Man kann auch sehr große Mengen an Energie im Energieträger Wasserstoff speichern. Also schon allein deswegen werden wir in Deutschland den Aufbau einer grünen Infrastruktur sehen. Und natürlich haben wir auch Abnehmer in Deutschland, die offensichtlich sehr groß sind und dementsprechend natürlich mit Wasserstoff versorgt werden können. Darüber hinaus wird ein Teil des Wasserstoffs aus dem Ausland kommen müssen. Wir in Deutschland werden importieren müssen.

Ettwig: Lassen Sie uns das Gespräch abbinden mit einer perspektivischen Frage. thyssenkrupp ist mitten in der grünen Transformation, auf dem Weg in die grüne Transformation. Was stimmt Sie beide optimistisch? Dass das auch gut funktioniert und erfolgreich ist?

Ponikwar: Also zum einen glaube ich, wir können optimistisch sein, weil die Welt verstanden hat, dass wir das brauchen. Der politische Wille ist groß zur Transformation und auch der gesellschaftliche Druck ist groß, um diese Transformation zu betreiben. Das ist natürlich ein großer Antrieb und Treiber, um tatsächlich in die Umsetzung zu kommen und das sehen wir heute schon. Wir haben bei thyssenkrupp entlang der gesamten Wertschöpfungskette überall tolle Beiträge zu leisten.
Wir haben tolle Technologien im Portfolio, wir haben tolle Komponenten im Portfolio und wir haben sogar richtig große Abnehmer im Portfolio. Und ich glaube, wir haben damit ein gehöriges Wörtchen mitzureden und beizutragen bei dem Hochlauf dieser grünen Transformation. Ich glaube, wir sind da sehr gut aufgestellt und können gemeinsam wirklich einen signifikanten Beitrag dazu liefern, dass unser Planet in der Zukunft noch lebenswert bleibt, auch für die Generationen, die nach uns kommen.

Ettwig: Herr Köfler, warum wird thyssenkrupp und thyssenkrupp Steel erfolgreich sein bei der grünen Transformation?

Köfler: Ja, das was Du gerade schon gesagt hast, ist natürlich vollkommen richtig. Wir werden überall wo wir als thyssenkrupp präsentieren. Wir haben nicht nur den Abnehmer, uns als Stahl, wir haben auch die Erzeuger von Wasserstoff im Portfolio unserer Unternehmensgruppe und wir haben die Infrastruktur mit der Ammoniak Erzeugung der Kollegen von Uhde. Das ist einzigartig. Da werden wir wirklich beneidet. Deswegen bin ich auch fest davon überzeugt, dass wir unseren Beitrag leisten können.

Ettwig: Vielen Dank für das optimistische Schlusswort. Ich nehme mit, wir haben zwei Geschäftsmodelle, wir haben einen gemeinsamen Weg in die grüne Transformation, wir decken zusammen die Nachfrageseite ab, die Angebotsseite und natürlich auch die Infrastruktur. Wasserstoff ist ein großes Thema. Sie beide sind optimistisch. Das freut uns. Insofern vielen Dank an Sie beide. Herzlichen Dank auch an das Publikum. Das war we.talk. Wir kommen wieder mit spannenden Gästen und neuen Themen. Tschüss aus Essen. Bleiben Sie gesund.