Heute, im wahrsten Sinne des Wortes, mit bewegenden Worten. Zu Gast bei uns, Dr. Karsten Kroos, CEO von Automotive Technology. Und da fährt er gerade auch schon vor, ich begrüße ihn mal.

Hallo Herr Dr. Kroos.

Hallo Herr Ettwig.

Schön, dass Sie Zeit für uns haben.

Ich freue mich auch aufs Gespräch!

Herr Dr. Kroos, Automotive Technology, das klingt für viele Kolleginnen und Kollegen wahrscheinlich ein bisschen nach Motoren, Benzin, PS. Wir beide wissen natürlich, dass das stark zugespitzt ist, aber bevor wir jetzt die Themen tiefer legen, vielleicht einfach für unsere Zuschauer mal kurz und knapp: Was macht Automotive Technology und warum kommen die Kunden an Ihnen nicht vorbei?

Sehr gern. Auto ist zunächst mal Emotion, das adressieren Sie in Ihrer Frage ja auch. Es ist aber auch Innovation und vor allem eine Menge Geschäftspotential. Der große Wirtschaftszweig vor allem auch in unserem Lande. Darin sind wir aktiv beteiligt. Wir liefern Produkte für das Fahrwerk, für den Antrieb, für die Karosserie. Und das auf Basis jahrzehntelanger Erfahrung. Von großem Erfahrungswissen getragen, erwirtschaften wir zurzeit pro Jahr etwa fünf Milliarden an Umsatz mit zwanzigtausend Mitarbeitern rund um den Globus in 50 Werken, die wir insbesondere in den letzten Jahren neu aufgebaut haben. Und setzen damit eben zunächst über die Innovation unsere Wettbewerbsmarke, die uns auch in die Zukunft tragen wird.

Wie viele andere Branchen, ist auch der Automotive Bereich stark im Wandel. Vielerorts ist zu lesen, das Ende des Verbrenners ist eingeläutet. Sei es Diesel, sei es Benziner. Elektromobilität, wir stehen ja gerade davor, ist in aller Munde. Wie nehmen Sie diese Diskussion wahr? Ist das etwas was Sie argwöhnisch betrachten oder wie ist da Ihre Einordnung?

Die Elektromobilität ist politisch gewollt. Sie ist auch gesellschaftlich gewollt und nimmt zurzeit Fahrt auf. Sie wird ihren Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Das ist absehbar, wenn die entsprechenden erneuerbaren Energiequellen auch zur Verfügung stehen und die Infrastruktur dafür aufgebaut wird. Und mit diesem Wachstum der Elektromobilität wollen auch wir wachsen. Wir sind heute schon engagiert in Elektroplattformen, die derzeit auf den Markt kommen, beziehungsweise auf den Markt gekommen sind. Dazu gehört der Tesla, der e-tron von Audi, der ID.4 von Volkswagen, der EQS von Daimler. Ich sage aber genauso deutlich, im Moment muss unsere Aktivität, die wir im Verbrenner sehr erfolgreich über viele Jahre betrieben haben, entwickelt haben, mit ihren Innovationen die Überbrückung gestalten helfen, um diese Transformation zu finanzieren.

Verstehe. Vielen Dank, bis hier hin. Ich glaube wir gehen ein bisschen aus der Sonne raus. Gehen wir rein, oder?

So machen wir das.

Kleiner Szenenwechsel mit einer neuen Frage in Bezug auf einen weiteren Megatrend, das autonome Fahren. Was viele fasziniert, aber viele auch ein bisschen ängstigt insofern, als man nicht mehr Frau oder Herr in seinem eigenen Fahrzeug ist. Wie ordnen Sie das ein, was hat das für Auswirkungen auf das Geschäft von Automotive?

Also in der Tat, das autonome Fahren ist eine der anderen faszinierenden, neuen Technologien, die neben der Elektromobilität in den nächsten Jahren in die Fahrzeuge Einzug halten wird. Das autonome Fahren soll nochmal einen deutlichen Beitrag zusätzlich leisten, um das Autofahren quasi unfallfrei zu machen. Auch dazu wollen wir einen deutlichen Beitrag leisten. Sind über unser Engagement insbesondere in der Lenkung mit Lenksystemen, ja heute einer der ganz großen in der Branche. Insbesondere unsere elektrischen Lenkungen. Und die Weiterentwicklung unserer heutigen elektrischen Lenkungen, die sogenannten Steer-by-Wire-Lenkungen, bieten da Zukunftspotential für uns, diese Technologie sozusagen mit voranzutreiben. Ich persönlich glaube aber, dass wir noch fünf bis zehn Jahre brauchen werden, um die technischen Voraussetzungen dafür vollends zu schaffen und es dann auch wirklich sicher zu machen. Die Rahmenbedingungen werden geschaffen und das Thema wird von großer Relevanz für uns werden.

Lassen Sie uns kurz auf das Thema Marktbearbeitung oder auch Marketing kurz schauen. Viele der Unternehmen aus dem Bereich Elektromobilität werben zum Teil sehr offensiv, gar aggressiv. Alles ist super smart, super innovativ, super Apple, super sexy. Automotive Technology würden Sie da wo einordnen?

Auch wir zeigen eine große Leidenschaft fürs Produkt. Legen die aber sozusagen stärker in den Fokus der Innovation, der Kosten und der Qualität. Denn worauf kommt es bei uns an? Wir haben vielleicht fünfzehn Kunden weltweit, die wir überzeugen müssen von unserer Leistungsfähigkeit. Die Kunden, die Sie genannt haben, die große Marketingbudgets haben, die müssen Millionen von Kunden ansprechen im sogenannten B2C, Business-to-Customer-Geschäft. Wir sind im klaren B2B, Business-to-Business-Geschäft und müssen klar auf die funktionalen Vorteile und die Wettbewerbsvorteile unserer Produkte setzen. Eine kleine Ausnahme bildet unser Aftermarket-Geschäft, das wir bei unserem Stoßdämpferhersteller Bilstein haben. Übrigens auch eine sehr starke Marke, die die Endkunden im Tuning-Sektor und bei den Ersatzteilen bedienen. Die haben ein respektables Marketingbudget, das sie einsetzen, um zusätzlich zur persönlichen Begeisterung sozusagen die Begeisterung der Kunden für das Produkt und die Marke zu wecken.

Höher, schneller, weiter war ja schon immer Treiber technologischen Fortschritts. Alles wird immer smarter, sprich digitaler. Welche Chancen ergeben sich daraus für Sie?

Die Digitalisierung ist für uns kein Buzzword. Sie ist absolut Realität. Für uns ist die Digitalisierung im Produktionsprozess von ganz großer Relevanz. Sie ist beim Produkt von großer Relevanz und für neue Geschäftsmodelle von Relevanz. Im Produktionsprozess hilft uns die Digitalisierung Qualitätsprozesse sehr viel schneller zu machen, um die Qualitätskosten zu reduzieren. Beim Produkt sind es vor allen Dingen die Weiterentwicklungen unserer elektromechanischen automobilen Produkte. Ich nannte schon die Lenkungen, die gehören zum Beispiel dazu. Aber auch die aktiven und semiaktiven Dämpfer von unserem Tochterunternehmen Bilstein. Und im dritten Punkt, den neuen Geschäftsmodellen, sind wir mit einem Start-Up Charakter unterwegs. Auch mit großer Begeisterung und Leidenschaft übrigens entwickeln wir für Flottenbetreiber und Carsharing-Anbieter eine Applikation, die helfen wird, Schadensanalysen schnell, zielgerichtet, brauchbezogen durchzuführen. Findet im Moment großen Zuspruch, erste Aufträge im Haus, macht viel Spaß und ist sehr kapitalextensiv anders als im anderen Geschäft. Und für uns deswegen ein interessantes Zukunftsfeld.

An der Stelle ein kleiner Perspektivwechsel aus Sicht eines E-Bikers. Ich habe ja in den letzten Monaten durchaus mich in Geduld üben müssen. Gerade was das Thema Neubestellung angeht. Elektronische Komponenten, Controller etc. sind ein klarer Engpass und so wie ich das wahrnehme hat es die Automobilindustrie ja richtig hart erwischt diesbezüglich. Ist das ein Thema für Sie und wenn ja, hat das auch Auswirkungen auf Ihr Geschäft?

Es hat gewisse Auswirkungen auf unser Geschäft. Und ja, es hat die Automobilindustrie ganz schön erwischt. Andere Industrien, die Unterhaltungselektronik, die Kommunikationsindustrie hat ihre Bestellungen hochgezogen und so haben die Halbleiterhersteller natürlich ihre Kapazitäten jetzt allokiert auf die, die den Großteil übrigens ihres Kundenspektrums darstellen. Die Automobilindustrie ist insgesamt nur mit etwa acht Prozent Abnehmer der globalen Halbleiterproduktion und da die Automobilindustrie jetzt Gott sei Dank schneller aus der Corona-Krise mit Blick auf die Bedarfe zurückgekehrt ist, haben wir ein Problem, dass sich in einer Materialverknappung, in einem Lieferengpass abbildet, mit dem auch wir kontinuierlich zu tun haben.

Die nächste Frage wird Sie wahrscheinlich auch nicht wundern. Grüne Transformation, Nachhaltigkeit. Wesentliche Zukunftsthemen für thyssenkrupp, heute und morgen. Welche Chancen ergeben sich für Automotive Technology daraus und wie können Sie die auch gegebenfalls nutzen?

Ganz relevantes Thema, ich glaube für jeden von uns persönlich aber eben auch sehr unternehmensrelevant. Das findet seinen Niederschlag beispielsweise in der Automobilindustrie dadurch, dass unsere Kunden harte Ziele setzen für CO2-Neutralität in der Lieferkette. Wir haben uns da sehr stramme Ziele gesetzt, um das in unserem Unternehmensverbund umzusetzen und sind jetzt auch dabei das auszurollen auf unsere Lieferketten, die wir natürlich in Verantwortung für unseren Endkunden mit in die Pflicht nehmen müssen. Damit wir die auf der Zeitschiene gesetzten Klimaschutzziele erfüllen.

Jetzt haben wir schon etwas über ihr Unternehmen gesprochen, auch über die Kundenbedürfnisse. Worüber wir noch gar nicht gesprochen haben sind die Wettbewerber, insbesondere Blick nach Asien. Aus Ihrer Sicht, eher Chance oder Stück weit Bedrohung?

Also jeder Wettbewerber, der neu für uns am Horizont erscheint, ist wie ein Fitnesstrainer. Das ist gut für uns. Wir sind in einem, ich deute das mehrfach an, ziemlich wettbewerbsintensiven Umfeld tätig. Wir haben aber gelernt in den neunziger Jahren mit den japanischen Wettbewerbern klarzukommen, die in Folge der Transplants, die die japanischen großen Automobilhersteller in Europa und Nordamerika gebaut haben, hierhergekommen sind. Wir haben auch gelernt mit den koreanischen Herstellern klarzukommen. Mit den chinesischen Automobilherstellern läuft es im Moment etwas anders. Wir stellen fest in Europa gibt es schon eine ganze Menge mehr als viele vielleicht wahrnehmen an chinesischen Automobilzulieferern, die zum Teil deutsche Namen tragen, wie Kuka, Kiekert, wie Preh. Aber ich sag mal, solange in China die Automobilindustrie boomt, ist damit zu rechnen, dass dort Wachstumspotential, von dem ja auch wir profitieren, weil wir frühzeitig nach China gegangen sind, in ausreichendem Maße vorhanden ist. Sollte das mal abebben, dann ist natürlich damit zu rechnen, weil auch die chinesischen Zulieferer sich qualifiziert haben, dass wir hier mehr Wettbewerb kriegen. Aber dadurch, dass wir international aufgestellt sind, haben wir ein jahrelanges Trainingslager, das uns, sag ich mal, helfen wird, auch das zu meistern.

Das war der Blick nach draußen. Schauen wir mal nach innen wieder. Insbesondere auf die Positionierung von Automotive in der Group of Companies. Da könnte man ja die Wahrnehmung bekommen von außen, da gibt es gar nicht so große Gemeinsamkeiten mit anderen Unternehmen. Ist das eine korrekte Wahrnehmung, ist das überzogen oder warum ist es im Gegenzug sogar sehr gut zu einer Group of Companies zu gehören?

Zunächst mal ist thyssenkrupp nicht nur über uns ein ganz großer Automobilzulieferer. Steel Europe liefert in die Automobilindustrie, MX liefert in die Automobilindustrie und eben wir Automotive Technology. In Summe macht thyssenkrupp Umsätze in der Größenordnung von zehn Milliarden mit der Automobilindustrie. Es ist also ein gemeinsamer Kunde und die Automobilisten, die großen Automobilisten sind auch die größten Kunden von thyssenkrupp absolut gesehen. Da wir aber in unseren Segmenten oder Business Units sehr produktfokussiert unterwegs sind, sind die Synergien, die man auf der Kostenseite über den Konzern suchen würde, sehr sehr begrenzt.

Schauen wir nochmal weiter nach innen. Wie meinen anderen Gästen zuvor, stelle ich auch Ihnen die Frage nach den Ergebnissen des Pulse Checks. Insbesondere halt zu den Themen Glaubwürdigkeit der Führung oder auch kontinuierliche Verbesserung. Das wird ja auch durchaus kritisch gesehen. Wie nehmen Sie das wahr, was glauben Sie muss passieren damit es da bessere Ergebnisse gibt nach vorne?

Also der Pulse Check war für uns in diesem Jahr, das ja wirklich als ein deutliches Jahr der Transformation gesehen werden muss, ein ganz wesentlicher Beitrag. Und Sie adressieren genau die richtigen Punkte. Die kontinuierliche Verbesserung, die ich in den direkten Kontext setze mit dem Thema Leadership. Bei uns kommt es wirklich darauf an, täglich besser zu werden. Wir haben, ich glaube das darf ich sagen, sehr systematische Prozesse dafür aufgesetzt. Aber jetzt kommt es auch darauf an, alle Führungskräfte dazu zu committen, die Einhaltung der Erreichung der Ziele, die wir uns zur Aufrechterhaltung und sogar Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, vorgenommen haben auch zu erreichen. Aber ich bin da guten Mutes, dass insbesondere, wenn wir diese beiden Themen in Verbindung bringen, wir da einen deutlichen Schritt weiterkommen.

Schöne Brücke zu meiner letzten Frage. Was ist denn von Ihrem Bereich in den nächsten Monaten konkret zu erwarten?

Also wir gehen, wir haben ja positive Konjukturdaten, davon aus, dass sich der Autoabsatz weiter dynamisch entwickeln wird. Hinzukommt, dass wir volle Auftragsbücher haben. Wir sind perspektivisch bis 2023/2024 zu fünfundachtzig Prozent gebucht. Und es liegt jetzt an uns mit dem was ich zuvor gesagt habe, Fokus auf Innovation, auf Kosten und auf Qualität, aus den gebuchten Programmen das Beste zu machen. Die Voraussetzungen haben wir dafür in den letzten Jahren dafür aufgebaut. Wir haben eine ganze Reihe neue Werke gebaut. Dort sind neue innovative Produkte installiert. Wir haben eine ganze Menge neuer Mitarbeiter an Bord und wir sind kostenseitig gesehen in die Regionen gegangen, die einerseits Wachstum bilden aber nicht zu den Highcost-Countries gehören. Das ist eine Mischung, aus der wir uns deutlich die Erreichung unserer Zielmargen erwarten und dafür nehme wir auch alle gerne mit in die Pflicht.

Dem ist nicht hinzuzufügen. Vielen Dank Herr Dr. Kroos für ihre Zeit. Vielen Dank auch an Sie an den Bildschirmen. Das war we.talk, die neue Ausgabe. Wir kommen natürlich wieder mit spannenden Gästen, mit neuen Themen. Tschüss aus Essen, bleiben Sie gesund. Bis bald!