Stefan Ettwig: Hallo und herzlich Willkommen aus Essen, liebe Kolleginnen und Kollegen. we.talk ist zurück aus der Winterpause. Schön, dass Sie wieder dabei sind. In 2022 freue ich mich ganz besonders auf unseren ersten Gast heute im Studio, unsere Vorstandsvorsitzende Martina Merz. Frau Merz, schön, dass Sie für uns Zeit haben.

Martina Merz: Hallo, ich freue mich auch, dass ich wieder hier bin.

Stefan Ettwig: Frau Merz, in den letzten zwei Wochen war ordentlich was los. Zuletzt die Quartalszahlen, davor die Hauptversammlung. Was haben Sie als wesentliche Erkenntnisse mitgenommen?

Martina Merz: Ich habe als zentrale Erkenntnisse mitgenommen, dass man jetzt vor allen Dingen um das Unternehmen herum doch bemerkt, dass thyssenkrupp in Bewegung ist. Die Kommentare, die in der Presse kamen, waren erstaunlich anerkennend. Man erkennt an, dass wir zwar noch nicht am Ziel sind, uns aber auf den Weg gemacht haben. Und bei dem Weg, auf den wir uns gemacht haben, auch anspruchsvoll an uns sind, damit wir wieder zu unserem Kern zurückkehren, ein Technologieunternehmen sein zu wollen, dass jetzt seine Kompetenz auch nutzen will, um ein wesentlicher Gestalter der Grünen Transformation zu sein. Ich habe mich tatsächlich sehr gefreut, für unsere Mitarbeitenden und die Teams all over the world, dass jeder merkt: thyssenkrupp bewegt sich und thyssenkrupp will nach vorne.

Stefan Ettwig: Zwei Jahre der Transformation haben wir hinter uns, Sie haben immer von drei Jahren gesprochen, die wir brauchen. Die Group of Companies ist auf dem Weg. Wo sehen Sie uns da? Was läuft aus Ihrer Sicht gut und wo müssen wir gegebenenfalls noch etwas tun?

Martina Merz: Der Umbau zu einer Unternehmensgruppe ist tatsächlich auf gutem Weg. Unsere Geschäfte haben schrittweise ihre Maßnahmenprogramme gut umgesetzt. Das sieht man auch an den Ergebnisprognosen für die Firma, wir kommen mit dem Ergebnis voran. Wir nehmen uns für dieses Jahr das Ziel vor, thyssenkrupp wieder in die schwarzen Zahlen zu führen. Auch in der Organisation wird dieses dezentrale Modell zunehmend verstanden. Wir sind, würde ich sagen, jetzt auf zwei Drittel des Weges, das letzte Drittel liegt noch vor uns.

Stefan Ettwig: Viele unserer Mitarbeitenden fragen sich natürlich: Wie sieht der Kern von thyssenkrupp in Zukunft aus? In der Presse war ja auch hier und da von einer Finanzholding mit angeschlossenen Beteiligungen zu lesen. Wo geht es hin bei thyssenkrupp, was ist der Kern?

Martina Merz: Der Kern, das habe ich von Anfang an immer gesagt, ist das, was mich schon vor meiner jetzigen Tätigkeit für thyssenkrupp begeistert hat. Ich sehe thyssenkrupp eindeutig als Technologieunternehmen, als Unternehmen, das sich seit über 200 Jahren mit Innovation eingebracht hat in die Weiterentwicklung von Gesellschaften und Märkten. Ich denke, das ist unser Kern: Technologie herstellen, Services, Produkte, Geschäftsmodelle für unsere Kunden, überall auf der Welt. Das soll auch unser gemeinsamer Kern bleiben. Das findet in sehr unterschiedlichen Geschäften mit unterschiedlichen Kunden, unterschiedlichen Märkten statt. Es ist sehr schwer, die Gemeinsamkeit zwischen Materials Services und rothe erde beispielsweise zu finden. Es gibt welche, es gibt ähnliche Themen, aber sehr wenige. Das führt natürlich am Ende dazu, dass sich die Geschäfte, wenn sie sich weiterentwickeln wollen, sich immer stärker spezialisieren. Diese immer stärkere Spezialisierung ist natürlich eine Belastung für den Zusammenhalt. Es wird jetzt an uns liegen, während wir das eine tun, das andere nicht zu lassen. Das, was wir nicht lassen wollen, ist tatsächlich, thyssenkrupp zusammenzuhalten. Wir denken, dass es doch viele Gemeinsamkeiten gibt, an denen sich es lohnt, auch gemeinsam zu arbeiten. Letztendlich sind Sie und ich, Herr Ettwig, vielleicht auch ein Beispiel, weil wir sagen, dass wir glauben, dass thyssenkrupp für etwas steht: Anstand, Werte, wie wir sind. Wir können auch über die die Segmente hinweg gemeinsam an Projekten arbeiten , so dass das letztendlich zusätzlichen Wert schafft und für diesen zusätzlichen Wert werde ich mich auch einsetzen.

Stefan Ettwig: Sie haben immer gesagt: Wir wollen in diesem Jahr einen ausgeglichenen Cash Flow haben, also Kapitalfluss. Wir haben letzte Woche gelernt, dass in puncto Kapitalfluss, Cash Flow, noch große Herausforderungen für thyssenkrupp bestehen. Was stimmt Sie zuversichtlich, dass wir trotzdem unsere ambitionierten Ziele erreichen können?

Martina Merz: Erstmal stimmt mich natürlich zuversichtlich, dass diejenigen, die näher am Geschäft sind, nämlich die Verantwortlichen in den Segmenten, ihre Zahlen in der Vorausschau bis zum Ende des Jahres regelmäßig mitteilen. Mit den Informationen, die wir haben, hoffen wir, das dann auch zu erreichen. Wir planen das sogar und das trotz des Widerstandes: Also trotz dieser Chip Krise, der Lieferengpässe. Die Geschäfte mit ihren Mitarbeitenden und den Teams arbeiten an sehr vielen Maßnahmen, um thyssenkrupp weiterzubringen. Und das alles stimmt mich zuversichtlich, dass wir das Ziel auch dieses Jahr erreichen.

Stefan Ettwig: Wie sieht denn ihre Zuversicht beim Stahl aus? Das haben wir ja auch hier an dieser Stelle schon öfter thematisiert. Verselbständigung ist die präferierte Lösung. Was sind denn die Voraussetzung, dass das auch funktioniert?

Martina Merz: Die wichtigste Voraussetzung ist ganz bestimmt, dass sich die Leistungsfähigkeit des Geschäftes weiterhin so entwickelt, wie wir das alle hoffen und auch planen. Davon liegt ein Teil in der Hand des Teams beim Stahl. Das große umfangreiche Investitionsprogramm, das gestartet worden ist mit der Strategie 2030, das jetzt auch schrittweise implementiert wird. Gleichzeitig ist der Schritt in die grüne Transformation sehr engagiert angegangen worden. Jetzt geht es natürlich darum, dass die Politik auch Rahmenbedingungen schaffen muss, in denen eben das, was wir selber tun können - aus eigener Leistungsfähigkeit - gekoppelt wird mit Rahmenbedingungen, die auch für einen Investor, der wir gegenüber dem Stahl ja sind, ein Investment anraten. Also die politischen Rahmenbedingungen für die Förderung einer Stahlproduktion in Deutschland, die sind noch zu präzisieren. Da ist noch Weg zu gehen von der Politik im Bund und im Land.

Stefan Ettwig: Ein weiterer Weg zu gehen ist ja auch noch bei unserem Wasserstoff Geschäft thyssenkrupp nucera. Wie sehen Sie da die Erfolgsaussichten, dass alles klappt?

Martina Merz: thyssenkrupp nucera hat ja den großen Vorteil, dass sie in einem der am stärksten wachsenden Märkte ihr Produkt anbieten, Wasserelektrolyse. Dieses starke Wachstum setzt auch große Investitionen voraus. Wir haben uns deshalb entschieden, thyssenkrupp nucera an die Börse zu bringen, wollen aber Mehrheitsanteilseigner auch nach einem Börsengang bleiben und wir werden die Mittel, die wir aus diesem Börsengang generieren können, dann für das Wachstum dieses Geschäftes einsetzen können und uns damit eben auch von Anfang an in diesem sehr dynamischen Markt als thyssenkrupp gut positionieren können.

Stefan Ettwig: Sie haben vorhin schon mal kurz das Thema Werte angesprochen? Ich erinnere an unser letztes Gespräch, da sagten Sie, thyssenkrupp hat keinen Nordstern, aber dafür einen ganzen Sternenhimmel. Jetzt gibt es aber auch noch die Marke und unseren Claim „engineering.tomorrow. together“. Ist es das was uns eint oder gibt es da noch mehr?

Martina Merz: Also beim Sternenhimmel Bild bleibe ich noch etwas, weil es ist einfach so wie ich vorher auch gesagt habe. Die Geschäfte sind in unterschiedlichen Segmenten, also unterschiedlichen Marktsegmenten, aktiv und insofern macht jeder sein Licht an einer anderen Stelle an. Das wirkt dann tatsächlich aus der Distanz wie ein Sternenhimmel, aber dieser Himmel ist verbunden durch das, was uns eben eint, das ist thyssenkrupp. Das wofür wir - wie gesagt - alle stehen wollen. Und wofür wir stehen wollen ist Anstand, ist wie wir mit Kunden umgehen, sind hervorragende Produkte und das eint uns. Das was uns eint, muss natürlich am Ende auch Eingang finden in gemeinsame Projekte, beispielhaft ist Employer Branding. Wenn wir die beste Technologie im Markt anbieten wollen, brauchen wir auch bestausgebildeten Mitarbeitenden. Von denen haben wir viele, aber wir werden auch neue brauchen und da ist thyssenkrupp zusammen viel stärker als jeder einzelne. Und in jedem Land dieser Welt außerhalb von Deutschland ist thyssenkrupp zusammen viel stärker als alleine. Ich denke, da gibt es auch gar keine Diskussion, dass das so ist.

Stefan Ettwig: Employer Branding ist ja direkt ein Elfmeter für meine nächste Frage. Wir haben ja die GENERATIONTK. Aus ihrer Sicht, wie ist da die Auswirkung auf thyssenkrupp? Und direkt mal nach vorne geblickt: Pulse Check, die zweite Runde steht an: Am 21. Februar geht's los. Was erwarten Sie an Ergebnissen?

Martina Merz: GENERATIONTK finde ich ja wirklich eine ganz sagenhafte Employer Branding Kampagne. Also ich finde, das ist so treffsicher, selten habe ich was gesehen, wo ich sagen würde: Das ist nicht wie man sein will, sondern das ist tatsächlich wie man ist. GENNERATIONTK ist wie thyssenkrupp. Ich bin ja noch nicht so lange dabei, aber es zeigt diese Vielfalt, unterschiedliche Altersklassen, Mann, Frau, in den Arbeitsklamotten, mitten in der Fabrik. Irgendwie, einfach bodenständig, kraftvoll würde ich mal sagen, das ist es wirklich und mit Anspruch. Ich finde, das ist eine tolle und sehr ehrliche Employer Branding Kampagne und mich freut, dass das offensichtlich auch außerhalb guten Anklang findet.

Beim Pulse Check glaube ich, dass der Pulse Check immer noch reflektieren wird, dass es große Fragen unserer Belegschaft an uns gibt: Wie es denn weitergeht mit diesem Unternehmen. Wir haben jetzt die Anerkennung, dass wir uns auf den Weg gemacht haben, aber der Weg nach vorn ist trotzdem noch nicht so genau beschrieben, wie es viele Leute – berechtigterweise - für sich selber wissen wollen. Nach allem was Mitarbeitende hier erlebt haben, über lange Zeit, glaube ich, ist es sehr berechtigt zu sagen: Leute, werdet doch jetzt mal so konkret wie möglich. Das sind wir noch nicht. Dieses Pulse Check Tool erlaubt uns eine Art Dialog zu haben mit den Mitarbeitenden. Da wir es häufig anwenden und es nicht lange Zeit braucht, bis es beantwortet ist können wir dieses Dialog Werkzeug jetzt häufig nutzen. Wir diskutieren sehr viel über das, was uns da mitgeteilt wird. Es hat tatsächlichen Einfluss auf das, was wir entscheiden, was wir denken und wir tun sollten. Ich hoffe, die Mitarbeitenden spüren, dass es tatsächlich Einfluss hat auf das, was wir tun. Wie gesagt, glaube ich, der nächste Pulse Check wird noch zeigen, dass wir zwar auf dem Weg sind, aber noch nicht angekommen und noch lange nicht angekommen sind.

Stefan Ettwig: Bevor es mit dem Pulse Check losgeht, wollen Sie unseren Mitarbeitenden an den Bildschirmen noch etwas mit auf den Weg geben?

Martina Merz: Als ich zu thyssenkrupp kam, habe ich gesagt, wir müssen wieder Vertrauen erwerben. Vertrauen bei unseren Mitarbeitenden, Vertrauen bei unseren Kunden, dass wir auch langfristiger Partner sein werden, Vertrauen bei unseren Investoren, dass wir auch für sie eine gute Anlage sind und letztendlich natürlich auch bei unseren Familien, bei allen um uns herum - da, wo wir leben. Dieses Vertrauen, dass wir thyssenkrupp sind und wieder zu dem machen können, wo wir wollen, dass die Firma steht. Dieses war mein erstes wichtiges Ziel und ich glaube, bei diesem Ziel haben wir alle miteinander in den letzten zwei Jahren bewiesen, dass wir uns wirklich super gut zusammengerauft haben. Dafür möchte ich mich jetzt einfach mal bedanken. Das ist schon aller Ehren wert und das spürt man auch. Nach vorne denk ich, wer diese zwei Jahre jetzt schon in dieser Form verbracht hat, der wird auch das dritte Jahr schaffen, in dem wir wieder Wege finden, nach vorne aufzuschließen, auch diesen Schritt werden wir noch miteinander machen können. Meine Zuversicht hat sehr zugenommen, muss ich sagen. Ich bin optimistisch und freue mich darauf, dass ich in dem Team weitermachen kann.

Stefan Ettwig: Schöner kann man gar nicht abbinden. Danke, Frau Merz, vielen Dank ans Publikum. Schön, dass Sie wieder dabei waren. Das war we.talk. Wir kommen wieder mit spannenden Gästen in 2022, es gibt genug zu erzählen, bis bald.