Herr Dinstuhl, gleich die erste Frage an Sie. Normalerweise fragen wir unsere Gäste zu Beginn, was das Unternehmen ausmacht oder was die Unternehmen ausmacht, was die Strategie ist, was die Produkte sind etc. Wenn ich richtig gezählt habe, sind es bei Ihnen im Bereich ja gleich elf Unternehmen, also elf unterschiedliche Situationen und Szenarien. Wie würden Sie unseren Zuschauerinnen und Zuschauern Ihr Segment nahebringen?

Dinstuhl: Ja wir haben ja im letzten Jahr im Segment Multi Tracks elf Geschäfte zusammengefasst, die sehr unterschiedlich sind. Unterschiedlich im Hinblick auf ihre Größe, auf die Industrien, in denen sie tätig sind, auch im Hinblick auf den Grad ihrer Eigenständigkeit und vor sehr individuellen Herausforderungen stehen. Und wir versuchen für diese Unternehmen die beste Perspektive zu finden. Das kann zum Beispiel sein, dass einige Unternehmen zu klein sind, um dauerhaft eigenständig am Markt zu bestehen. Andere benötigen Investitionen, die wir ihnen bei thyssenkrupp so nicht zukommen lassen können. Und von daher versuchen wir für jedes dieser Unternehmen die beste Option zu entwickeln und da haben wir in diesem Jahr gute Fortschritte gemacht.

Jetzt hatte Multi Tracks zu Beginn, gerade in der Presse, ja durchaus einen schweren Stand. Da wurde despektierlich über „Resterampe“ oder „Bad Bank“ gesprochen. Wie würden Sie das einordnen für die Zuschauer? Geht es nur darum, Geschäfte zu einem idealerweise sehr guten Preis zu verkaufen oder steckt da mehr dahinter?

Dinstuhl: Also im Fokus steht die Entwicklung dieser Unternehmen, die Performance dieser Geschäfte zu steigern und ich glaube nach einem Jahr kann man sagen, dass Multi Tracks ein echtes Erfolgsmodell für thyssenkrupp ist. Die Ergebnisse und Cash Flows sind deutlich besser als in den beiden vorangegangenen Geschäftsjahren und wir haben auch große Fortschritte im Bereich Portfolio gemacht in den letzten Wochen.

Stichwort Erfolge, Herr Höllermann. Das waren ja glaube ich gleich vier: Also Mining, Infrastructure, Carbon Components und zuletzt Edelstahl AST. Herzlichen Glückwunsch erstmal an dieser Stelle. Neben der rein kaufmännischen M&A-Aktivität, wie herausfordernd war es denn im Sinne der Mitarbeitenden?

Höllermann: Ja, es steht natürlich für uns im Mittelpunkt auch für die Mitarbeitenden Lösungen zu finden, die eine sehr gute Perspektive aufzeigen können. Dabei kommt es natürlich auf den ersten Übergang an – wenn der neue Eigentümer das Geschäft führen wird, die Anteile übernimmt – um hier sicherzustellen, dass die Mitarbeitenden über die Kommunikation und die Vereinbarungen eine gewisse Sicherheit haben, dass sie auch in eine Zukunft gehen, wo Investitionen erfolgen werden in die Geschäfte. Aber auch, dass langfristig diese Arbeitsplätze hier gesichert sind. Ich glaube hier können wir mit sehr guten Beispielen aufwarten, wie wir beide Sachen geschafft haben. Also von daher bin ich stolz auf den Track-Record, den wir dort haben und wie wir auch mit allen, die dort beteiligt waren – sei es Arbeitnehmervertretungen, sei es das Management, sei es Anteilseigner-seitig – diese Prozesse so gestaltet haben, dass dieser Aspekt auch sinnvolle und gute Berücksichtigung gefunden hat. Da kann man schon mal auch nochmal eine Schleife dranhängen und ein bisschen länger warten, damit diese Aspekte vernünftig abgedeckt sind.

Das sind ja jetzt vier Geschäfte, für die es jetzt Lösungen gibt. Wir hatten anfangs gesagt insgesamt gibt es ja elf. Wie sieht es denn aus, wenn Sie für Geschäfte gegebenenfalls keine zufriedenstellenden Angebote bekommen? Ist da dann eine Alternative in der Group of Companies denkbar oder sind dann andere Lösungen angedacht?

Höllermann: Ja zu Multi Tracks gehört ja, dass wir gleichzeitig an verschiedenen Lösungen arbeiten und dazu, wie sie richtigerweise sagen, kann es kommen, dass im Rahmen eines M&A-Prozesses keine adäquaten Partnerschaften oder sogar Käufer da sind, die Angebote nicht passen. Hier haben wir Beispiele aus dem chemischen Anlagenbau, aus dem Zementanlagenbau, wo wir ganz einfach dann weiter eigenständig als thyssenkrupp diese Geschäfte betreiben. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir dadurch nicht zu einem späteren Zeitpunkt nochmal analysieren, ob die Strategien, die wir da aufbauen könnten mit Partnern oder durch Verkäufe, nicht doch im anderen Moment wieder besser sein könnten. Umgekehrt kann es natürlich auch dazu führen, dass man zu dem Schluss kommt, dass wir dem Geschäft nicht mehr die richtige Aufmerksamkeit geben können aber auch im Markt dieses Geschäft nicht attraktiv genug ist, sodass wir zu Teilschließungen oder auch Schließungen des kompletten Geschäfts kommen müssen. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu, das gehört auch dazu, dass die Geschäfte zu Multi Tracks zugeordnet wurden und darauf müssen wir unsere Organisation dann auch entsprechend vorbereiten.

Herr Dinstuhl, thyssenkrupp ist ja bekanntlich in der größten Transformation der Unternehmensgeschichte. Und Multi Tracks ist mittendrin und hat da einen großen Anteil und eine große Bedeutung auf dem Weg nach vorne. Wenn Sie das jetzt mal analysieren, in puncto Leistungsfähigkeit, also Performance – welchen Beitrag leistet Multi Tracks für die Unternehmensgruppe in Summe?

Dinstuhl: Also ich denke, dass wir bei Multi Tracks einen Beitrag in mehrfacher Hinsicht leisten. Das erste ist die Leistungsfähigkeit unserer Geschäfte selbst, nämlich Herr Höllermann hat das gerade angesprochen, wir arbeiten sehr intensiv mit unseren Geschäften an individuellen Performance-Programmen. Das legt den Grundstein auch für jede Art von Portfolio-Überlegungen. Und wir sammeln eben wichtige Erfahrungen im Bereich M&A-Restrukturierung, Turnaround, die der gesamten Group of Companies dann zugutekommen. Der zweite Aspekt ist, wenn wir erfolgreich Unternehmen veräußern, generieren wir damit Finanzmittel, die für thyssenkrupp dann zu Investitionen in andere Geschäfte, in Zukunftstechnologien zur Verfügung stehen. Und als drittes, wir haben selbst eine Zukunftstechnologie in unserem Segment, unser Wasserstoffgeschäft. Eines unserer Unternehmen ist die UCE, die Uhde Chlorine Engineers. Dort haben wir ein etabliertes Elektrolysegeschäft, das wir gerade für den Wasserstoffmarkt weiterentwickeln. Und ja, das wissen Sie aus der Presse, Wasserstoff ist eines der dominierenden Zukunftsthemen und da sind wir als thyssenkrupp ausgezeichnet positioniert.

Danke für die Steilvorlage. Weil Sie es gerade erwähnen, lassen Sie uns kurz über Wasserstoff sprechen, weil viele unserer Zuschauerinnen und Zuschauer wahrscheinlich durchaus neugierig sind, was thyssenkrupp denn damit jetzt so vorhat. Vielleicht können Sie uns ja schon was verraten, was wir alle nicht kennen?

Dinstuhl: Wir möchten das Wasserstoffgeschäft für thyssenkrupp weiterentwickeln. Dazu prüfen wir im Moment verschiedene Optionen. Eine denkbare Möglichkeit ist ein Börsengang der UCE. Damit beschäftigen wir uns derzeit intensiv und das wäre eine sehr interessante Option, die den Wert dieses Geschäftes für thyssenkrupp dann sichtbar macht durch die Kapitalmarktnotierung und zum anderen als Nebeneffekt sozusagen dann auch noch zusätzliche Finanzmittel für den Wachstumskurs der UCE generiert.

Vielen Dank. Die letzte Frage gerne an der Personalvorstand, Herr Höllermann. 18.000 Mitarbeiter bei Multi Tracks. Das ist eine Menge. Wir haben gelernt, die Situation ist auch beliebig komplex. Trotzdem die Frage: Wie würden Sie die Stimmung einschätzen insgesamt und wie glauben Sie muss man in einer solchen Situation auch mit den Mitarbeitenden umgehen, weil das ist ja auch eine Belastung für alle?

Höllermann: Ja, Sie haben so ein bisschen schon die Antwort vorweggenommen. Die Komplexität ist beliebig hoch. Die 18.000 Menschen sind verteilt auf unterschiedliche Geschäfte. Wie vorher schon ausgeführt, verwalten, managen wir ja die Rückbeteiligung an der Elevator, wo wir jetzt Menschen haben, die den Weg nach vorne in eine andere Richtung gefunden haben. Aber in den zehn Einheiten, die operativ zu uns gehören, haben wir unterschiedlichste Rahmenbedingungen. Einige sind auf dem Wege zu neuen Ufern mit neuen Anteilseignern und finden dort hoffentlich dann auch entsprechend bessere Bedingungen für eine nachhaltige Entwicklung des Geschäftes und der Arbeitsplätze. Andere sind noch in der Endphase der Restrukturierung und sicherlich ein bisschen mit schwererer Stimmung versehen. Und andere – und das ist eben die Vielfalt bei Multi Tracks – sind gerade an ihrer Zukunft beschäftigt mit ganz neuen Dingen. So ein Börsengang und eine eigenständige Aufstellung von einer Einheit wie es ein Wasserstoff ist, ist etwas ganz Neues für viele bei uns im Unternehmen, ich glaube fast für den ganzen Konzern. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass vor dem Übergang zu Multi Tracks viele dieser Geschäfte in sehr unsicheren Rahmenbedingungen unterwegs waren, sodass für einige der Mitarbeitenden auch der Weg in eine neue Partnerschaft, in neues Umfeld, zu einem Anteilseigner, der vielleicht mehr Interesse an dem Geschäft hat und mehr Möglichkeiten hat das Geschäft zu entwickeln, auch positive Momente auslöst. Das ist Teil unseres Geschäfts auch. Vielleicht erlauben Sie mir abschließend noch eine Anmerkung zu den Führungskräften unter diesen Mitarbeitenden. Für die ist das natürlich eine ganz besondere Situation zu Multi Tracks überführt zu werden. Plötzlich sind sie rausgerissen aus ihrer Branchenzugehörigkeit, aus der größeren Strategie und müssen sich neben dem Operativen selbst um ihre Einheit strategisch kümmern. Von daher muss ich meinen Hut ziehen, für diejenigen, die das schaffen, und auch akzeptieren, dass einige das nicht mitmachen möchten. Aber jeden Tag da Mann und Frau zu stehen in den Momenten, wo wir als Multi Tracks eben auch weitere Ideen analysieren, ist nicht ganz einfach. Also auch von daher den Mitarbeitenden und den Führungskräften wirklich noch einen großen Dank an dieser Stelle.

Großen Respekt an alle Mitarbeitenden, Führungskräfte, dass sie da so mitziehen. Vielen Dank für das Schlusswort. Herr Dinstuhl, auch an Sie vielen Dank. Vielen Dank auch an unsere Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen. Das war eine neue Ausgabe von we.talk. Wir kommen natürlich zurück, wieder mit spannenden Gästen, mit neuen Themen. Tschüss aus Essen, bleiben sie gesund. Bis bald!