Frau Engelhardt, sind Sie eigentlich ein Fan des American Football?

Ich finde, es ist eine extrem komplexe, schnelle und spannende Sportart. Es verlangt den Spielern allerhand ab. Dabei kann man von erfolgreichen Football-Spielern auch als Unternehmen einiges lernen und dazu habe ich auf den Digidays einige in meinen Augen zutreffende Analogien gezogen.

Berichten Sie gerne noch einmal für die Leser.

Es geht um ein Spiel der Kansas City Chiefs und den Buffalo Bills. Die Bills führten 13 Sekunden vor Schluss mit drei Punkten, eigentlich nicht mehr aufzuholen in der kurzen Zeit. Denn um zum Ausgleich zu kommen, brauchten die Chiefs mindestens ein Feldtor. Dafür musste sich die Mannschaft aber zunächst in eine aussichtsreiche Position spielen. Der anschließende Schuss aus 49 Yards ging ins Tor. In der Verlängerung schafften die Chiefs einen Touchdown und damit noch den Sieg.

Was hat das mit thyssenkrupp zu tun?

Auch wir werden nicht den Super Bowl gewinnen – müssen wir ja zum Glück auch nicht! Aber im Ernst: Um als Unternehmen Erfolg zu haben, ist es notwendig unter Zeitdruck gemeinsam richtige Entscheidungen zu treffen auf Basis von Informationen und Daten – ganz so, wie es die Kansas City Chiefs gemacht haben.

So einfach?

Gar nicht so einfach. Dahinter stecken eine hoch trainierte Leistungsfähigkeit, ein auf Vertrauen basierendes Teamwork und Technologien, die all das miteinander verknüpft und Prozesse beschleunigt. Hier kommt auch beim American Football die Digitalisierung ins Spiel. Wussten Sie, dass viele NFL-Clubs Künstliche Intelligenz nutzen, um den Erfolg von Spielzügen zu berechnen? Und ganze Tech-Abteilungen beschäftigen, die digital das Spiel betreffende Daten sammeln und auswerten? Auch wegen dieser Daten und deren richtiger Analyse haben die Chiefs in den verbleibenden 13 Sekunden das Spiel gedreht.

Was heißt das für unser Unternehmen?

Um Kunden und Investoren, aber auch Talente und die Beschäftigten zu gewinnen und zu halten, müssen wir richtig gut sein, in dem was wir tun, wir müssen gut zusammenarbeiten – das ist eine Frage sowohl der Unternehmenskultur als auch der Organisation von Prozessen – und wir müssen Technologien wie Digitalisierung und speziell Künstliche Intelligenz (KI) anwenden können.

Sie sind im Mai als Chief Information Officer zu thyssenkrupp gekommen. Konnten Sie sich schon einen Überblick verschaffen, wo thyssenkrupp bei Digitalisierung und KI steht?

Wir haben noch Nachholbedarf. Das hängt auch damit zusammen, dass thyssenkrupp in den vergangenen Jahren mit einer erheblichen Transformation beschäftigt war. Das Unternehmen steckt mitten im Wandel. Die Frage, die ich mir deshalb stelle, lautet: Wie können wir jetzt vielleicht zwei Schritte auf einmal machen, um schneller Dinge aufzuholen.

Wo sehen Sie die größten Baustellen?

Wir nutzen die vorhandenen Tools, sagen wir mal, noch etwas zu schüchtern. Mein Eindruck ist, dass wir viel mehr können, als wir bisher tun. Wir alle sollten die digitalen Anwendungen im Arbeitsalltag aktiv und selbstverständlich nutzen. Der zweite Punkt ist die Zusammenarbeit. Wenn etwas an der einen Stelle im Unternehmen gut funktioniert – warum übernehmen wir es dann nicht an anderen Stellen? Warum nutzen wir die digitale Expertise im Unternehmen nicht übergreifend? Wir brauchen da mehr Vertrauen in uns, in die Fähigkeiten der Kollegen und Kolleginnen und in die Technologie. Ich wünsche mir eine Kultur, in der wir über den Gartenzaun der eigenen Abteilung, des eigenen Segments hinausschauen und uns fragen, wo ich für mein Problem, meine Aufgabe im Unternehmen Hilfe oder ein Vorbild finden kann.

Sind digitale Anwendungen und KI für thyssenkrupp die Schlüssel zum Erfolg?

Ich denke schon. Beide sind unschlagbar darin, Daten bzw. Informationen miteinander zu verknüpfen und dadurch Prozesse zu beschleunigen, zu automatisieren und ggf. komplett zu verändern. Aber das gelingt nur zusammen mit anderen Faktoren: Digitale Kompetenzen und effiziente, kollaborative Strukturen. Wir müssen diese Technologien beherrschen, am besten sollten wir sogar Vorreiter innerhalb unserer jeweiligen Branche sein. In dem Zusammenspiel der genannten Faktoren ist Künstliche Intelligenz nicht einfach nur eine Komponente on top, sondern ein Element, das die ganze Organisation auf ein höheres Niveau hebt.

Was meinen Sie damit?

Künstliche Intelligenz steigert nicht nur die Geschwindigkeit, Daten massenhaft zu erfassen und zu analysieren, sondern erkennt Muster in den Daten und kann Entscheidungshilfen geben. Das ist auch für ein Unternehmen wie thyssenkrupp extrem spannend, weil wir dadurch in allen Bereichen von Produktion über Logistik und Vertrieb bis hin zur Verwaltung präziser und agiler werden. Zugleich hilft KI dabei, sowohl das Nutzererlebnis unserer Kunden wie auch von jedem Mitarbeitenden zu verbessern, also die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten.

Wo nutzt thyssenkrupp bereits Künstliche Intelligenz?

Es gibt über gesamt thyssenkrupp verteilt bereits viele Use Cases, in denen wir KI einsetzen. In der Produktion, sei es bei Steel oder Automotive Technology, ist Machine Learning zur Fehlererkennung und Qualitätssicherung quasi schon Standard und wird an ganz vielen Stellen erfolgreich eingesetzt. Bei Materials Services erfolgen im Sales und Supply Chain Prognosen zu den Lieferzeiten, die auf Daten Modellen basieren. Daneben werden in Finance und HR das Buchen und Prüfen von Belegen in SAP mit Hilfe von RPA – Robotic Process Automation – automatisiert.

Wie wird KI die Arbeitsplätze bei thyssenkrupp verändern?

Das kann man so nicht pauschal beantworten. Veränderungen wird es – wie bei allen Entwicklungen in der Vergangenheit rund um das Thema Digitalisierung auch – sicherlich geben. Wichtig ist, dass wir diese Veränderung bei thyssenkrupp gemeinsam gestalten und neben möglichen Risiken auch die Chancen sehen. Zu wissen was genau die Zukunft bringen wird, ist unmöglich.. Es hilft allerdings, das Thema KI immer wieder zu erden und ganz konkret zu zeigen, was mit einer jeweiligen Anwendung für die Mitarbeitenden und das Unternehmen verbunden ist. Und wie wir sie zu unserem eigenen Vorteil nutzen können. Aus Unternehmenssicht ist die Einführung von KI-Tools angesichts des Fachkräftemangels ein wichtiger Baustein zur Lösung dieses Problems.

Sie haben eben von einem positiverem Erleben der eigenen Arbeit durch KI gesprochen. Wie wollen Sie das umsetzen?

Ein Beispiel: thyssenkrupp ist als eines von 600 Unternehmen weltweit dazu eingeladen, in einem Pilotprojekt die Funktionen von Microsoft Copilot zu testen. MS Copilot ist eine Assistenzsoftware mit Künstlicher Intelligenz für Microsoft 365. Copilot unterstützt jeden User während er Excel, Powerpoint, Teams, SharePoint etc. benutzt. Ich bin selbst gespannt, Copilot im Alltag zu nutzen und kennenzulernen. Ich suche gerade 299 Mitarbeitende, die auch das ausprobieren möchten. Wir wollen wissen: Wie kann uns das helfen? Welche Auswirkungen hat das auf unsere Art zu arbeiten? Wer daran Interesse hat, kann sich gerne via we.match bewerben. Wir stehen am Anfang des Projekts und der Testphase.

Wie steht es um die viel beschworene digitale Dividende? Wann werden wir sie einfahren?

Eine digitale Dividende ergibt sich aus dem effizienten Zusammenspiel unserer Fähigkeiten, d.h. dem Leistungsvermögen, das auf unserem Know-how, unseren Prozessen und unserer Unternehmenskultur basiert, einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und der Technologie.. Wir müssen zielgerichtet in die richtigen Projekte investieren und die entsprechenden Mehrwerte generieren. Wir haben einiges Potenzial, was die vielen Use Cases und Projekte bei thyssenkrupp zeigen. Diese gilt es gewinnbringend in der Fläche zu implementieren und über Plattformansätze zu skalieren. Das ist bei unserer heterogenen, verteilten System- und Daten-Landschaft nicht einfach, aber ich bin mir sicher, gemeinsam lassen sich passende und gute Ansätze finden und realisieren.

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